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Sonntag, 19. November 2017

Das Evangelium Lernen




Philipp Melanchthon, der friedliebende und den Konsens suchende Mitstreiter Martin Luthers, wurde eines Tages von Freunden gefragt, warum er denn Luther so treu ergeben sei, wo doch der große Mann zuweilen auch recht eigensinnig, rechthaberisch und grob sein konnte. Melanchthon, selbst einer der großen Gelehrten der Reformationszeit, antwortete schlicht und einfach: „Ich habe das Evangelium von ihm gelernt!“
Durch den Einfluss Luthers und der Reformation rückte „das Evangelium“ zu Beginn der Neuzeit wieder ins Zentrum des christlichen Glaubens. Dem Apostel Paulus zufolge ist es die Botschaft, durch die „Gottes Macht wirkt“ und „allen Menschen Rettung bringt, die ihr glauben“. (Röm 1,16 GNB)
In dieser Definition des Apostels sind fünf Begriffe von besonderer Wichtigkeit:

Das Evangelium
Dieses Wort bedeutet die „gute Botschaft“, die „frohe Nachricht“, die „Siegesbotschaft“. Es ist das „Evangelium Gottes“ (Röm 1,1), weil es von Gott kommt und von Gott spricht. Es ist aber auch das „Evangelium von Christus“ (Röm 15,19). Das heißt, es ist die Botschaft von der Sendung, vom Opfer- gang und Sühnetod des Jesus von Nazareth, des göttlichen Messias, für die Welt. Es spricht auch von seinem Sieg über den Tod, von seiner Fürsprache vor Gott für sein noch in der Welt lebendes und kämpfendes Volk und von seiner zukünftigen Wiederkehr zur Vollendung seines Werkes. So spricht uns das Evangelium den Trost zu, dass nach der gegenwärtigen „Erlösung in unerlöster Welt“ Christus kommen wird zur „Veränderung der ganzen Welt“. Das Evangelium liefert die Lösung für das menschliche Grundproblem: „Was die Sünde und das Elend der Welt betrifft, ist das Evangelium das einzige Gegenmittel.“

Die Macht Gottes
Das Evangelium hat schöpferische Kraft, weil es Gottes Wort ist. Menschliche Worte haben keine Schöpferkraft. Sie sind meistens nur „Schall und Rauch“. Doch wenn Gott spricht, dann geschieht das, was er sagt: Rettung für alle, die dem Evangelium glauben.
Die Rettung
Sie kommt nicht durch philosophische Spekulationen, Lehrsätze oder aus Büchern erworbene Weisheit. Die Rettung der Menschen aus ihrem Elend von Schuld und Vergänglichkeit entsteht nicht durch menschliches Reden, sondern durch göttliches Tun und göttlichen Freispruch. Sie ist das, was Luther das „admirabile commercium“, den wunderbaren Tausch oder Wechsel, genannt hat.
Am Kreuz tauschte „Gott in Christus” (2 Kor 5,19) den Platz mit der Welt. Er übernahm das Gericht, das die Sünder treffen müsste: „Der Richter als der an unserer Stelle Gerichtete.“ Er nahm unsere Strafe auf sich und gibt uns seine Gerechtigkeit (2 Kor 5,21); er wurde schwach und gibt uns seine Stärke (2 Kor 12,9); er wurde für uns arm und gibt uns seinen Reichtum (2 Kor 8,9); er tauschte Elend gegen Herrlichkeit, Leid gegen Freude und „machte sich zu einem ‚Nichts‘ (Phil 2,7) gegen sein ‚Alles‘, so dass wir ‚alles haben‘, obschon wir ‚nichts haben‘ (2 Kor 6,10).“4

Für alle
Die Wunder des Evangeliums gelten nicht nur einer bestimmten Nation, einem Geschlecht oder Stand, sondern allen.
Durch sein „Damaskus-Erlebnis“ wurde der Apostel Paulus, der sich zuvor stolz seiner jüdischen Abstammung und seiner pharisäischen Selbstgerechtigkeit rühmte (Phil 3,4–6), zu einem Freund der heidnischen Nationen, aus denen so viele seiner Mitchristen stammten. Sie waren seine „Freude und Krone“ (Phil 4,1). Für ihn hat Christi Leiden und Tod für alle Menschen (1 Tim 2,6) sämtliche nationalen, gesellschaftlichen und geschlechtlichen Unterschiede ausgelöscht (Gal 3,26–28). Das Evangelium durchbricht alle Schranken und schafft eine übernationale Gemeinschaft. In Christus werden die unterschiedlichsten Menschen, mit der unterschiedlichsten Herkunft und der unter- schiedlichsten Bildung und Erfahrung zur familia Dei, zur Familie Gottes, zusammengefügt: „Christus reißt die Scheidewand, das trennende Vorurteil der Volkszugehörigkeit, hinweg und lehrt die Liebe zu allen Angehörigen der menschlichen Familie.“ Vor allem aber werden Menschen „Kinder Gottes“. Christus vereint uns nicht nur auf der horizontalen Ebene, sondern auch und vor allem auf der vertikalen: Er bringt die Menschen durch seinen Heilstod wieder mit Gott zusammen. Wie das geschieht?

Durch Glauben an Christus
Wenn Paulus von „glauben“ spricht, meint er nicht vermuten oder für möglich halten, nicht einmal einer bestimmten Aussage zustimmen. Glauben bedeutet in der Heiligen Schrift – damals dem Alten Testament – „ergreifen, festhalten, treu sein“. Im Neuen Testament bedeutet glauben „Vertrauen“ und „Treue“. Wir empfangen Rettung – Vergebung unserer Schuld, Annahme bei Gott, Erneuerung des Lebens und finale Erlösung –, indem wir der Heilszusage in Christus vertrauen, an ihr festhalten und bis zum Ende treu bleiben. Was den „Gottlosen“, den Sünder, rettet, sind nicht seine religiösen Leistungen oder Werke, sondern das Vertrauen zu Gott, der ihn in Christus „gerecht spricht“ (Röm 4,5). Die Rechtfertigung des Sünders, das heißt, seine Gerechtsprechung vor dem Gnadenthron Gottes, geschieht allein durch den Glauben und ohne des Gesetzes Werke (vgl. Gal 2,16).
Die Kirche meinte, dass sie diesen Glauben durch die Jahrhunderte hindurch bewahrt hätte und dass sie ihn treu interpretierte. Viele, die glaubten, Paulus zu verstehen, hatten doch das Wesentliche seiner Botschaft vergessen. Eine Art von „unschuldiger Werkgerechtigkeit“ hatte sich der Christenheit bemächtigt und den Gnadenglauben der apostolischen Verkündigung in eine subtile Leistungsreligion verwandelt. Unter dem Einfluss des synagogalen Legalismus, der griechischen Tugendlehren und des römischen Rechtsdenkens wurde aus dem gnädigen Freispruch des Sünders wiederum eine unabdingbare „Werkerei“8, bei der der Heilssuchende nie wissen konnte, ob er schon genug getan hatte, um der Rettung würdig zu sein. Zwar gab es auch Gegenstimmen, aber entweder waren auch sie nicht ganz klar oder sie blieben unbeachtet. Umso herrlicher war daher die Wiederentdeckung der apostolischen Botschaft durch die Reformation im 16. Jahrhundert, als das Wort des Apostels Paulus: „Der Gerechte wird durch den Glauben das Leben erlangen“ (Röm 1,17, Albrecht) wieder zu leuchten begann und es der Christenheit wieder bewusst wurde: „Der einzige Ruhm der Christen ist allein in Jesus Christus.“  

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